INTIMHYGIENE – Die Reinigung des weiblichen Geschlechtsorgans
In meinem Artikel über den Trend der Schamhaarentfernung wurde erwähnt, dass aggressive Kampagnen der Kosmetik- & Beautyindustrie ihren Anteil an der Entwicklung haben. Auch bei dem Thema der weiblichen Genitalhygiene lassen sich ähnliche Mechanismen der Einflussnahme feststellen.
Die Vulva wird zwar in (neu)feministischen Kreisen pro forma gefeiert – gleichzeitig wird aber unterschwellig ein Bild vermittelt, sie sei – im Normalzustand, im menstruierenden Zustand, im erregten Zustand und behaart erst recht – dreckig und stinkend, schleimig und fischig, irgendwie eklig, modrig und bäh – sodass man sie zumindest ständig hygienisch umsorgen und rein halten müsse. Intimwaschgel beim täglichen Duschen, Intimspray darf nicht fehlen und extra parfümierte Slipeinlagen sind das Mindeste. Und nicht nur die Vulva als äußeres Geschlechtsorgan, sondern auch die Scheide müsse mithilfe von Vaginalduschen, am besten mit speziellen Zusätzen, penibel gereinigt werden.
Der pH-Wert
Auf der pH-Wert-Skala von 0 (sauer) bis 14 (basisch) liegt der Scheidenwert im sauren Bereich zwischen 3,8 und 4,4. Dies ist in mitteleuropäischen Breiten der Normalwert, dunkelhäutigere Menschen anderer Regionen haben eine differente Zusammensetzung des Milieus und dadurch einen etwas höheren pH-Wert.
Verschiedene Stämme von Laktobazillen (Milchsäurebakterien), deren Anzahl und Aktivität u.a. vom weiblichen Sexualhormon Östrogen gesteuert wird, besiedeln zu ca. 70% die Schleimhäute des weiblichen Genitals. Sie ernähren sich vor Ort aus abgelösten Schleimhautzellen und stellen dabei durch Fermentation aus Zucker Milchsäure her, welche ursächlich für das saure Milieu ist.
Das vaginale Mikrobiom ist eine einzigartige Zusammensetzung von Mikroben. Bis zu 250 verschiedene Bakterienarten können die Schleimhäute besiedeln und sorgen für ein ausgewogenes Gleichgewicht und eine gesunde Scheidenflora. Es entsteht eine Schutzschicht, die die empfindliche Schleimhaut geschmeidig und feucht hält, ähnlich wie der Speichel im Mund, damit keine Risse und Verletzungen entstehen. Die durch Bakterien produzierte Milchsäure, als auch Wasserstoffperoxid bilden eine wirksame Abwehr gegen Krankheitserreger. Pathogene Keime können sich im sauren Milieu nicht vermehren und ausbreiten.
Bei der Geburt prägt das vaginale Mikrobiom der Mutter die Entwicklung der Darmflora des Kindes. (Die Darmflora von Kaiserschnittbabys gleicht eher der mütterlichen Hautflora.)
Bakterielle Vaginose
Wenn eine Dysbiose vorliegt, ist die Besiedelung mit nützlichen Bakterien gestört. Die Art und Anzahl der Bakterienstämme verändert sich. Es kommt zu einem Abfall der Laktobazillen und zu einem verstärkten Wachstum ungünstiger Keime. Die Veränderung der Scheidenflora kann häufig an einem veränderten pH-Wert ersichtlich werden.
Wenn sich das physiologische Gleichgewicht verschoben hat und die Abwehrfähigkeit der Scheide geschwächt ist, können sich Pilzinfektionen wie Candida albicans und andere Hefepilze leichter ausbreiten.
Auch können E.coli-Bakterien aus dem Darm Harnwegsentzündungen auslösen und das Risiko sexuell übertragbarer Infektionen steigt.
Anzeichen für ein gestörtes Milieu und eine Infektion können neben Symptomen wie Schmerzen, Jucken, Brennen auch Änderungen des Geruchs und der Färbung des Ausflusses sein.
Was stresst die Scheidenflora?
Während der Menstruation erhöht sich der pH-Wert der Scheidenflora durch den Kontakt mit alkalischem Blut, auch beim Geschlechtsverkehr macht das alkalische Sperma das saure Scheidenmilieu basischer, Gleitmittel verdünnt zusätzlich. Eine gesunde Scheide kann diese (kurzzeitigen) Stressoren ausgleichen – bei einem Zuviel jedoch gerät das Gleichgewicht ins Wanken. Bekannt ist, dass es nach vermehrtem Sex eines Paares (in einer beispielweisen kinderfreien Zeit) oder auch bei häufigem Partnerwechsel zu Harnwegs- und Blaseninfektionen kommen kann durch eine zeitweise Überbeanspruchung und die Erhöhung der Infektanfälligkeit.
Weitere Faktoren können die hormonelle Verhütung, chronischer Stress und Krankheiten sein, ebenso spielt die (zuckerreiche) Ernährung eine Rolle und die Einnahme von Medikamenten, insbesondere von Antibiotika, nach denen es häufig durch die Zerstörung der guten Bakterien zu Entgleisungen und zusätzlichen Pilzinfektionen kommt.
Einfluss auf die Änderung des Scheidenmilieus hat auch die Schamhaarentfernung und eine übertriebene Intimhygiene mit Seifen-, Duft- und Kosmetikprodukten.
Dauerhaft frisch – nicht sauber, sondern clean – und wohlriechend…
… soll und muss es sein. Der Anspruch auf hyperpenible Reinlichkeit im Schritt gleicht einer Sisyphusarbeit, deren Sinn nicht nur fraglich, sondern schlicht nicht nur nicht vorhanden, sondern kontraproduktiv ist.
Zu häufiges Duschen von einmal bis mehrmals täglich strapaziert nicht nur die normale Hautflora, sondern natürlich auch besonders die Scheidenflora. Seifen, Duschgels, Waschlotionen (häufig mit einem höheren pH-Wert) und weiteren Duft- und Zusatzstoffen trocknen die empfindliche Schleimhaut aus.
Neben übertriebenen Reinigungs- und Einparfümierungsmaßnahmen der Vulva wird sogar die Reinigung der Vagina mithilfe von Vaginalduschen propagiert.
Jeder Laktobazillus würde hier die Hände über dem Kopf zusammenschlagen!
Unglaublich, aber die Natur hat sich tatsächlich etwas gedacht bei der Konstruktion und Funktionalität der Scheide. Die Scheide ist ein selbstreinigendes Organ, welches keinen Eingriff von außen zur Säuberung benötigt!
Die Scheidenflora reguliert sich selbst und das Scheidensekret transportiert unliebsame Bakterien mit dem Ausfluss nach außen.
Und dort kann – die Vulva – mit Wasser gereinigt werden. Es genügt Wasser, einfach nur Wasser!
Auf unnötige Chemie im Schritt sollte verzichtet werden und erst recht im Körperinneren! Die Vaginaldusche erhöht das Risiko einer bakteriellen Vaginose und fördert sogar bestimmte Krebsarten.
Einfache Reinigung
Das Bidet ist in Deutschland eher weniger bekannt als in anderen Ländern, wäre aber, wenn es auch für die weibliche Genitalhygiene konzipiert ist und nicht nur zur Reinigung des Analbereichs, perfekt zur Säuberung. Nun hat nicht jeder eine Vorliebe für ein Bidet bzw. den Platz und das Geld.
Für die einfachste und effektivste Variante der Reinigung genügt ein Krug, der neben dem WC platziert werden kann. Der Krug wird mit lauwarmem Wasser gefüllt und langsam, mit leicht zurückgelehntem Oberkörper, zwischen die gespreizten Beine gegossen, sodass das Wasser die Vulva entlang rinnt.
Mit den Fingern kann im Bereich der Schamlippen unterstützt werden, um z.B. die Haare, so sie nicht entfernt wurden, zu waschen. Danach genügt leichtes Trockentupfen mit Toilettenpapier.
Denke daran, immer nur von vorne nach hinten zu waschen, wischen oder tupfen, damit keine unnötigen Darmbakterien in den Scheidenbereich eingespült werden.
Die Größe des Krugs kann frei gewählt werden, damit die Menge des Wassers jene ist, um sich sauber zu fühlen.
Im Normalfall reicht die einmalige Reinigung mit Wasser am Tag. Während der Menstruation, im Sommer oder nach sportlichen Aktivitäten kann bei Bedarf auch zwischendurch gewässert werden.
Zur Ausnahme für unterwegs können Babyfeuchttücher (sensitiv, ohne Zusätze) zum äußeren Säubern der Vulva benutzt werden.
Die einfachste Lösung ist ab und an auch die beste – es muss nicht immer kompliziert sein – weniger ist manchmal mehr. Die Angst vor Gerüchen ist unbegründet – eine gesunde Scheide riecht nicht unangenehm. Nur bei einer gestörten Scheidenflora kommt es zu veränderten Gerüchen.
Es lohnt sich, das Vertrauen in die Selbstreinigungsfähigkeit der Scheide zu stärken und sie durch möglichst wenig Einflussnahme ihre Arbeit tun zu lassen, indem man für die Intimhygiene nur Wasser benutzt.
Tipps, um einer Dysbalance vorzubeugen:
• keine übertriebene Hygiene betreiben, keine Parfüms, Deos, Duschgels und Seifen benutzen
• Verzicht auf Scheidenspülungen
• keine Waschlappen für die Intimhygiene nehmen, da sie Bakterienfänger sind
• minimieren von (Über)Reizungen der Vaginalschleimhaut
• Urinieren nach dem Geschlechtsverkehr, um Bakterien wegzuspülen (ggf. mit Wasser spülen)
• feuchtwarmes Milieu vermeiden und für Luftzirkulation sorgen (atmungsaktive Unterwäsche; synthetische, eng anliegende Slips und Hosen meiden)
• atmungsaktive, unparfümierte Slipeinlagen und Menstruationsprodukte nutzen und regelmäßig wechseln
• Beeinträchtigung der Scheidenflora durch Keime der Darmflora vermeiden (von vorne nach hinten wischen)
Ein Artikel von Anke