#01 GEBURTSBERICHT – Die Geburt meiner Tochter Malu
Ich möchte von der Geburt meiner Tochter Malu in einer lauen Frühlingsnacht erzählen….
Ich kenne meine Hebamme Katja seit Jahren. Sie begleitete unsere Familie seit der Geburt meiner ersten Tochter im Geburtshaus, war beim Wachsen unserer Familie dabei, freute sich bei jedem positiven Schwangerschaftstest mit uns, noch bevor es alle anderen taten und fing mich bei der Reise meiner 3 Sternenkinder auf, wenn ich den Halt verlor. Sie ist wichtig für uns. Als Hebamme und als Vertraute.
Jetzt bekamen wir unser geplant letztes Kind und ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als diesen Weg mit ihr zu gehen.
Ich freute mich auf jede Vorsorge, die warmen Hände auf meinem wachsenden Bauch, das tastende Zwiegespräch zwischen Katja und meinem Baby, was nur sie verstand und auch auf die Kritzelmännchen, die sie auf meinen Bauch malte, um den Geschwisterkindern die Lage unseres Babys zeigen zu können.
Jede Vorsorge bei ihr war von so viel Wärme und Vertrauen geprägt und ich fühlte mich immer in all meinen Gefühlen so wahrgenommen, wie ich es in diesem Moment eben brauchte. Manchmal vorfreudig und manchmal eben auch zweifelnd. Alles war immer okay.
Wir hatten eine Zeit lang wirklich Angst, dass Malu ihre Geburtsreise zu früh antreten würde. Unser trubeliger Alltag mit den zukünftigen Geschwisterkindern und die gerade aufkommende Corona-Pandemie brachten uns an unsere Grenzen.
Immer wiederkehrende Vorwehen bescherten mir sogar zwischenzeitlich kurz Bettruhe, um einfach Ruhe in die Gebärmutter und in mich zu bekommen und wir sehnten alle die magische Grenze der Rufbereitschaft herbei.
Und dann war endlich Mai. Am Abend des 17.5.2020 machte sich dann unmerklich eine seltsame Stimmung breit.
Rückblickend fällt einem das immer auf. Wir hatten einen schönen Tag im Park verbracht, Entenküken beobachtet, Freunde getroffen und die warmen Maisonnenstrahlen genossen. Es war eine ruhige Stimmung, die nichts davon ahnen ließ, was in dieser Nacht noch passieren sollte. Alles war ganz leise und ruhig.
Ich hatte es mir in den letzten Monaten zu einem Ritual gemacht, an den Abenden in meinem Kuschelsessel zu sitzen und Malu’s Babydecke zu stricken, um den Tag ausklingen zu lassen. Ein wenig Zeit nur für mich und mein Baby. Aber die Decke war seit ein paar Tagen fertig.
Also saß ich mit einem leicht gelangweilten Gesichtsausdruck gegen 22 Uhr in meinem Sessel und stopfte Socken. Das allein hätte mich schon aufschrecken lassen müssen. Ein leichtes Ziehen machte sich bemerkbar, aber geprägt von den Übungswehen der letzten Monate und dem Wissen, dass wir noch 2 Wochen bis zum erratenen Termin hatten, maß ich dem erstmal keine weitere Bedeutung bei. Zwischendurch stoppte ich die beginnenden Wehen dann aber doch in ihren Abständen, wohl um mich selbst zu beruhigen und beschloss, das Ganze erstmal gemütlich auszusitzen. Sollte es wirklich heute schon so weit sein?
Unregelmäßig zog es weiter im Unterbauch und diese Art der Wehen war kaum von den bisherigen Übungswehen zu unterscheiden. Lang sind die Pausen und leicht der Schmerz. „Nichts ist das…“ informierte ich meinen besorgt dreinblickenden Mann also auf sein Nachfragen und schickte ihn wieder weg. Irgendwie konnte ich aber nicht schlafen gehen und wurde unruhig.
Mittlerweile war es Mitternacht und nun wollte ich dann doch in die Badewanne, um die vermuteten Übungswehen von produktiven Geburtswehen zu unterscheiden. Entweder weggehen oder stärker werden. Aber selbst nach einer halben Stunde erwartungsvollen Planschens, tat sich nicht so wirklich was. Es fiel mir schwer, selbst nach der Erfahrung der vorangegangenen Geburten, eine Entscheidung zu treffen, den leichten Schmerz richtig einzuordnen. Verrückt eigentlich. Alles zu uneindeutig und nicht schmerzhaft genug, um einen Geburtsbeginn einzuläuten. Ich brach das Bad verunsichert ab und wollte nun doch schlafen gehen…
Oder auch Kerzen aufstellen und Musik organisieren und meine Matratze mit Malerfolie ausstatten, während da ja noch unser 4jähriger Sohn schlief, der seinen Umzug in ein anderes Bett aber gar nicht wahrnahm. Langsam und leise, aber durchaus geschäftig schlich ich durch die nachtdunklen Räume, taute den Geburtstagskuchen auf (backen schaffen wir nämlich nie) und hängte unsere Familiengeburtstagsgirlande auf, die bei allen Geburtstagen den Tag einläutete und nun eine Geburt ankündigte. Ich war mir nun sicher. Meine Stimmung und mein Körper hatten sich entschieden.
Leise klang unsere ewige Geburtsmusik durch das Zimmer, Kerzen brannten, Räucherstäbchen dufteten und ich tönte durch den Raum. Erst ganz leise … dann doch immer lauter und die Zeit der Unsicherheit war endgültig vorbei. Heute wird mein Kind geboren werden. Das wird ihr Geburtstag. Ich freute mich darauf, mein Baby kennenzulernen und auf unsere gemeinsame Geburtsreise.
Mittlerweile war es weit nach 2 Uhr nachts und beim Einsetzen der Zeichnungsblutung, als letztes Indiz, bat ich meinen Mann unsere Hebamme Katja anzurufen. Unser Ruf erreichte sie gegen 02:40 Uhr und da ich so gar nicht wusste, in welchen Abständen die Wehen denn so kamen, machte sie sich gleich auf den Weg. Sie kannte das schon von uns.
Abwechseln lief ich, veratmete die an Intensität zunehmenden Wellen und kreiste mein Becken abgestützt auf meinen Lieblingssessel. Bewegung tat mir immer gut unter der Eröffnungsphase, aber dieses Baby übte einen unglaublich starken Druck aus. Schon wenige Wellen später stand ich wehend und leise fluchend am Fenster, blickte in die Stille der lauen Frühlingsnacht und wartete sehnsüchtig auf Katjas Auto. Mein Anker sollte kommen.
Und dann war sie da und brachte die zweite Hebamme Mandy gleich mit. Eine liebevolle Umarmung und die ins Ohr geflüsterte Freude über unsere gemeinsame Geburtsreise nahmen mir mit einem Schlag alle Unsicherheit. Jetzt konnte ich mich fallen lassen. Jetzt war alles gut.
Wie selbstverständlich fügten sich Katja und Mandy in unseren Geburtsraum ein. Sie waren da, aber doch unsichtbar. Sie ließen mir meinen Raum und waren doch ganz im Moment mit mir. Eine magische Stimmung, ruhig und voller Zauber. Mitten in der Nacht – Malu erwartend.
Unterdessen hatten die Wellen eine Kraft erreicht, die meine ganze Konzentration forderte. Die Untersuchung des Muttermundes kurz vor 4 Uhr ergab 3-4cm und ich verzweifelte fast. Ich wusste, was da noch kommen musste und hatte mir mehr erhofft. Ich wollte aufstehen, mich bewegen und meinem Baby den Weg weisen. Aber plötzlich konnte ich das nicht mehr. Übelkeit stieg immer wieder auf und ich erbrach mich.
Die Wellen überrollten mich mit ihrer Kraft und waren so stark und drückend, dass sie mich in die Knie zwangen. Ich war nicht mehr in der Lage aufzustehen aus meiner Liegeposition, weil die Schmerzen dann so unerträglich wurden. Der Druck so immens. Die Zeit schon so lang. Die Kraft beinahe aufgebraucht.
Der Körper ist doch ein Wunder. Ganz genau wusste er anscheinend, dass nur Liegen die Geburt in die richtige Geschwindigkeit bremste. Die Schwerkraft brauchte Malu gerade gar nicht zur Hilfe, um den Muttermund zu öffnen. Es ging schnell.
Ich spürte das und legte mich so, wie es sich gut anfühlte, atmete ruhig pustend den Schmerz in die Kissen. Ohne Zweifel oder Angst. Auf die Phase der Anstrengung folgte nun innere Ruhe. Geburt ist ein Übergang. Für das Kind und die Mutter. Katja und Mandy saßen still beobachtend im Zimmer, strahlten Sicherheit aus.
Aber leider musste ich doch noch einmal aufstehen, denn Katja ordnete mir einen Toilettengang an und vertrauend auf ihre Erfahrung schleppte ich mich ins Bad. In der Zwischenzeit wurden ruhig Handtücher aufgewärmt, der Dammschutz vorbereitet und eine unaufgeregte und leise Betriebsamkeit nahmen Katja und Mandy ein. Der immense Druck des Köpfchens ließ mich kaum laufen. Prustend und schimpfend kroch ich zurück und Katja schmunzelte in geheimen Wissen.
Das war der letzte Rest Eröffnungsarbeit. Sofort setzten die Presswehen ein.
Katja und Mandy waren völlig fein damit. Sie hatten das erwartet, vielleicht auch geplant und ermutigten mich nun doch die Schwerkraft im Vierfüßler zu nutzen und dem Schmerz nachzugeben. In den Schmerz zu schieben.
Dieses erhabene Gefühl nicht nur den Schmerz aushalten zu müssen, sondern aktiv mithelfen zu können, ist unbeschreiblich.
Der Druck war gewaltig und in jeder Wehenpause fragte ich Katja, wie lang ich diesen Schmerz denn noch aushalten müsse. Ich wollte eine Zeitangabe, die sie mir natürlich nicht geben konnte. Aber sie lächelte, umarmte mich und flüsterte, dass ich nicht mehr lange warten müsste. Bald wäre unsere Malu geboren und ich solle bewusst zu ihr atmen und ihr den Weg weisen. Nicht pressen, sondern sie sanft in die Welt schieben.
Die nächste Welle kam mit einer unglaublichen Kraft und plötzlich hört man das Geräusch der platzenden Fruchtblase.
Malu’s Köpfchen zeigte sich gleich danach. Katja nahm meine Hand und liess mich mein Baby zum ersten Mal fühlen und das ist so ein unwirkliches Gefühl, dass man es kaum beschreiben kann. So nah schon. Katjas Hinweis Malu nun sanft kommen zu lassen, ignorierte ich. Wie wahrscheinlich in jeder meiner Geburten konnte ich einer Langsamkeit der Kopfgeburt nichts abgewinnen und da Katja das wusste und mich kennt, spürte ich sogleich die warmen Dammschutzkompressen.
Mein Mann hielt mich in den Armen und mein Becken wurde weit. Alle Emotionen und Kraft legte ich in die nächste Welle. Nur noch einmal.
In einer gewaltigen, langen und diesmal auch lauten Welle kam der Kopf zur Welt. Der immense Druck liess sofort nach und eine weitere Welle später wurde meine Tochter geboren.
Es ist 05:01 Uhr. 7 Stunden nach Geburtsbeginn.
So winzig, zart und vollkommen lag sie da und war einfach nur perfekt. Wir waren kurz handlungsunfähig. Die Zeit stand still.
Katja reichte mir mein Baby durch die Beine und warm eingepackt auf meiner Brust kamen wir alle wieder in dieser Welt an.
Es war leise, friedlich und nur die zarten ersten Babylaute erinnerten an die Kraft, die hier eben noch geherrscht hatte.
Da war sie nun, unser sechstes Kind. Und wir konnten wieder nur staunen.
Ein paar Minuten glücklichen Strahlens und andächtiger Stille später war die Nabelschnur auspulsiert und ich trennte Malus körperliche Verbindung mit mir. Nackt und warm lag sie auf meiner Brust und wieder einmal wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, diese ersten Minuten mit seinem Baby in Ruhe zu genießen. Ohne äußeres Zutun, ohne Untersuchungen – nur wir, die sich zum ersten Mal außerhalb meines Körpers begegneten.
Unsere Hebammen gaben uns diesen Raum und zogen sich zurück, um notwendigen Papierkram zu erledigen und eine kleine Willkommensfeier vorzubereiten. Nach Geburtstagslied, Sekt, Kuchen und einer vorbildlichen U1 zogen wir um ins Wochenbett und begaben uns in diese wunderbare Babyblase, die Neugeborene so mitbringen. Wenn die Zeit langsamer tickt und alles so verzaubert ist. Es war ein wunderbarer Frühlingsmorgen im Mai und unser 6. Kind ist zu uns gekommen. Sie hatte uns noch gefehlt und nun war sie endlich da.
Auch die neuen, alten Geschwister wurden nun nach und nach wach und konnten den Neuankömmling am frühen Morgen begrüßen. Einige von ihnen hatten bisher nichts mitbekommen und waren ziemlich überrascht, alles verschlafen zu haben.
Willkommen in unserer Familie, Malu.
Ich danke meiner wunderbaren Hebamme Katja nun zum 6. und letzten Mal für ihre Hilfe, ihr Vertrauen, ihre Zuversicht und Liebe, manch guten Rat und den stetigen Glauben an uns. Ohne sie wäre unsere Familie so nicht entstanden und dafür werden wir ihr ewig dankbar sein.
Sie ist ein Teil einer jeden Geburtsgeschichte und somit des Lebens jedes einzelnen Kindes von uns. Danke Katja!
Und ich danke Mandy, dass sie mit uns diese großartige und friedliche Geburt erlebt hat, für uns da war und ein Teil dessen war. Danke Mandy!
Zu keiner Zeit meiner Geburt hatte ich Zweifel, nie kamen Ängste auf und ich schreibe das der Vertrautheit mit meinen Hebammen zu. Ich wurde unterstützt, gehalten und bestärkt, mein Baby selbstbestimmt und in meinen eigenen Instinkten in diese Welt zu geleiten.
Dafür werde ich für immer dankbar sein!
Ein Bericht von Katja
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