Eine haarige Angelegenheit – Die SCHAMBEHAARUNG
Möchte man im Internet zu Schamhaaren recherchieren, findet man erstaunlich wenig fundierte Artikel – auf Wikipedia gibt es Stand 12/22 einen Eintrag, aber keinen Inhalt dazu. Das entspricht in etwa dem Umgang mit diesen Haaren, der in der Tendenz seit 20-30 Jahren zunehmend darauf fokussiert ist: alles wegzurasieren, wegzulasern, wegzuwaxen – und sich zu schämen, wenn doch mal ein Haar in der Bikinizone zu sehen ist.
Eine Hebammenschülerin erzählte, dass sich Frauen im Kreißsaal peinlich ergriffen entschuldigen, es nicht geschafft zu haben, sich ordentlich zu rasieren! Eine bedenkliche Entwicklung…
Gesellschaftliche Mode und Entwicklung
Die Schambehaarung galt in vielen Kulturen als ein Symbol der Fruchtbarkeit und der Heiratsfähigkeit.
Schamhaare (lat. Pubes) bilden sich als sekundäres Geschlechtsmerkmal in der Pubertät heraus, daher auch der etymologische Zusammenhang. Sie signalisieren die beginnende Geschlechtsreife.
Genetisch bedingt variieren sie in Wuchs, Farbe, Dichte und Ausbreitung. Meist sind sie kräftiger als die Kopfbehaarung, haben eine kürzere Wachstumsphase und sind durch einen ovalen Querschnitt des Haarfollikels in unseren Breiten eher gelockt als gerade.
Bei Initiationsriten wurde die Schambehaarung aus kultischen Gründen entfernt und/oder betont bemalt. In Japan wird sie bis heute als Zeichen der Weiblichkeit so geschätzt, dass weniger behaarte Frauen sich Perücken fertigen lassen, welche „Blume der Nacht“ genannt werden, während sie in der islamischen Welt als unrein, unhygienisch gilt und aus religiösen Gründen entfernt werden soll.
Im alten Ägypten und bei den Römern wurde in der Oberschicht rasiert, um sich von der Unterschicht und den Sklaven abzugrenzen und im Mittelalter galt ein glatt rasierter Schambereich als Erkennungszeichen von Prostituierten – wobei die Entfernung aus hygienischen Gründen geschah.
Im 20. Jahrhundert wurde in bestimmten Gruppen und Szenen rasiert, lange bevor es sich gesellschaftlich ausbreitete, z.B. in der Schwulenbewegung oder bestimmten Fetischkreisen. In der Pornoindustrie waren die Darsteller lange Zeit behaart oder getrimmt – spätestens mit der überbordenden Internetpornografie und der Möglichkeit „noch tiefere Einblicke“ zu gewähren, trugen Frauen wie Männer untenrum Glatze und verdrängten Sexfilme inklusive natürlicher Behaarung in ein Nischendasein.
Erst eine Spielerei – dann eine Mode – jetzt eine Norm. Die Enthaarung des Genitalbereichs ist für die heutigen Generationen zur Normalität geworden.
Der Druck durch die Sozialen Medien und das dort vermittelte jungfräuliche Ideal treibt Frauen und zunehmend auch Männer in die unhinterfragte Selbstverständlichkeit des Enthaarens.
Der biologische Sinn der Schambehaarung
Schamhaare sind ein Schutz, eine Pufferzone zwischen der Außenwelt und der Intimzone. Sie reduzieren die Reibung beim Laufen und verhindern den Direktkontakt zwischen Kleidung und empfindlicher Haut.
Ebenso wie z.B. feinste Nasenhaare, die eine Filterfunktion haben, halten sie durch die Erhöhung der Berührungssensibilität der Haut Fremdpartikel ab, in das Körperinnere zu gelangen. Sie verhindern die Vermehrung von Pilzen und Bakterien durch Aufsaugen von Schweiß und erhöhen die Abwehr von Krankheitserregern.
Wie alle Körperhaare dienen sie der Wärmeisolation. Schambehaarung hält die Genitaltemperatur konstant und bietet Schutz vor zu viel Licht, Feuchtigkeit und Kälte.
An ihnen haften geschlechtsspezifische Pheromone der Duftdrüsensekrete, die unbewusst Einfluss haben auf die Wahl eines passenden Sexualpartners.
Gründe der Haarentfernung
1. „Es ist hygienischer.“
Die Entfernung der Schambehaarung aus hygienischen Gründen wird als einer der häufigsten Gründe angeführt. In anderen Regionen der Welt oder zu anderen Zeiten der mitteleuropäischen Geschichte mag dies ein hinreichender Grund gewesen sein, doch sind unsere hygienischen Standards und gesellschaftlichen Übereinkommen so weit fortgeschritten, dass dieses Argument schlichtweg nicht mehr gelten kann – im Gegenteil.
Beim Rasieren, Epilieren, Waxen – abgesehen von möglichen Schnittverletzungen – verursacht man immer Mikroverletzungen der Haut. Das führt zu Rasurbrand und Hautirritationen. Allergische Reaktionen, Brennen, verstopfte Poren oder trockene Haut kommen durch die breite Palette an Prä- und Aftershave-Produkten, die die sensible Haut belasten, hinzu.
Beim Nachwachsen der Haare kann es durch Einwachsen und Querwuchs der Haare zu Entzündungen und Abszessen kommen. Die Stoppeln verursachen Pickelchen, Brennen, Kratzen und Jucken und verursachen beim Sex zusätzliche Hautreizungen; auch die Übertragung von Viren wird begünstigt (z.B. Genitalwarzen).
Viele Frauen führen als Grund für die Schamhaarentfernung ihre Menstruation an. Sie meinen, ohne Haare entstünde kein Geruch und sie würden sich sauberer fühlen. Das Blut, welches aber normalerweise durch das Hinablaufen an den Haaren vom Körper wegtransportiert wird, damit Bakterien und Keime nicht direkt in die Scheide und durch die während der Menstruation geöffnete Zervix in die Gebärmutter gelangen können, verbleibt (je nach Hygieneartikel) in der Scheide oder zumindest in direkter Nähe, was zu Störungen der Scheidenflora und Infektionen führen kann, z.B. Harnwegsinfekte, Scheidenpilz.
2. „Der Sex ist besser.“
Die höhere Empfindsamkeit beim Sex scheint ein beliebtes Argument zu sein. Steigt die Empfindung wirklich derart an, dass sie die Rasur alle 2 Tage oder das schmerzhafte Herausreißen rechtfertigen würde?
Beim Brazilian Waxing soll die Haut mit der Zeit sogar wesentlich unempfindlicher werden, das würde der Aussage widersprechen.
Oft wird auch der Oralsex angeführt, der angeblich häufiger ausgeführt wird, wenn man nicht befürchten müsse, ein Haar in den Mund zu bekommen. Häh? Echt jetzt? Vielleicht sollte der- oder diejenige dann noch etwas an der Technik feilen … (nur so als Tipp).
Es besteht die Annahme, dass die Motive der Intimrasur bei Mann und Frau differieren könnten. So sei unterstellt, dass sich untenrum trimmende oder rasierte männliche Exemplare zunutze machen, dass ihr bestes Stück optisch größer und prachtvoller erscheint. Frauen hingegen wollen oftmals vorbeugend eine „Unperfektheit“ oder Kritik vermeiden, wie z.B. „Du bist aber behaart.“ „Bist du etwa nicht rasiert?“ Sie bereiten das Liebesspiel perfekt vor, damit „nichts stört“, dem Mann bloß kein Missgeschick geschehen kann, sich z.B. in der Hitze des Gefechts Haare einklemmen oder etwas ziepen könnte.
3. „Es sieht schöner aus“ bis hin zu „Haare sind eklig“
Die Entwicklungstendenz der Haarentfernung war bei Mann und Frau in verschiedenen Regionen beobachtbar. Bei den Männern auf der Brust, bei den Frauen im Schritt.
Während in Film und Fernsehen der 70er bis 90er Jahre eine behaarte Männerbrust des Protagonisten – ob Tom Selleck in Magnum oder Sean Connery als James Bond – das Ideal verkörperte, wurde sie zunehmend durch eine gestutzte und später glattrasierte Brust ersetzt. In der Serie Baywatch, anfangs mit einem haarigen David Hasselhoff, tauchten später jüngere, gestählte Bubis auf, deren Brust mehr glänzte als die gegelten Haare. Nun, um wie viel tiefer die Rasur reichte, lässt sich glücklicherweise nur vermuten – dennoch nahm der Trend zur Glatze auf der Brust und zur zunehmenden Haarlosigkeit anderer Körperregionen zu dieser Zeit ihren Anfang. Das vermeintliche Idealbild der Frau war zu der Zeit schon einen Schritt „voraus“ – durch immer knappere Kleidung und Bademode – rasierte die Frau bereits Achselhaare und (mindestens) die Bikinizone.
Starker Haarwuchs wird assoziiert mit dem Wilden, Animalischen und Triebhaften.
Immer mehr junge Menschen denken, Schambehaarung wäre unrein und schmutzig und entwickeln regelrecht Ekel vor der Scham- und auch vor der kompletten Körperbehaarung.
Hierbei kommt der Enthaarungswahn, um dem Schönheitsideal eines glatten Körpers zu entsprechen, einer religiösen Reinlichkeitspflicht nahe. Es wird zum Selbstverständnis, sich glatt und „makellos“ zu zeigen – und diesen Maßstab auch an andere anzulegen.
Professor E. Brähler und Dr. A. Stirn der Uni Leipzig äußern in einer Studie aus 2008 zum Thema der Haarentfernung in der Intimzone: „Unserer Untersuchung zufolge, nehmen eine ausgesprochen große Zahl von 88 Prozent der Frauen (und 67 Prozent der Männer) diese Form der Körpermodifikation vor.“ [1]
In einer Umfrage (gefunden auf Statista) aus dem Jahr 2008 zu der Frage, ob mögliche Sexualpartner eine Intimrasur erwarten würden, antworteten 61% der Befragten in der Altersgruppe 20-35 mit Ja, 21% mit Nein und 18% wussten es nicht. [2]
Vor fast 15 Jahren gehörte man als junger Erwachsener mit natürlicher Haarpracht bereits zur Minderheit und mehr als die Hälfte gingen davon aus, sich Schamhaare entfernen zu müssen, um ihrem Gegenüber zu gefallen.
Überlegungen zum Haarentfernungsdogma
Pädophilie ist eine Störung der Sexualpräferenz, das sexuelle Interesse an Präpubertärem und das Reagieren auf das Aussehen vor Erreichen der Pubertät.
Es scheint, als würde die Grenze verwischen. Wieso stehen Männer zunehmend auf kindliches Aussehen im Schambereich? Wieso tragen Frauen bereitwillig ein vorpubertäres Abbild zur Schau?
Die Entfernung der sekundären Geschlechtsmerkmale soll Reinheit und Ungefährlichkeit, Verletzlichkeit und Unreife signalisieren. Die eigentlich erwachsene, sexuell reife und aktive Frau verbirgt ihre Reife zugunsten eines „niedlichen“ Kindchenschemas im Schritt.
Möchte sie dadurch dem Mann die Angst nehmen vor der weiblichen Kraft und Sexualität und sich lieber klein und schützenswert zeigen?
Entspricht die kindlich unbehaarte Scham dem Schönheitsbild der (schamhaarlosen), nie alternden Barbie oder ist der Haarentfernungskult Ausdruck der Infantilisierung einer dekadenten Gesellschaft?
Statt, wie ab und an aus feministischen Kreisen kolportiert wird, die Motivation der Haarlosigkeit verbunden sei mit dem Stolz des Zurschautragens des weiblichen Geschlechtsteils, hat es durch eine vehemente Übertreibung den Anschein des Hangs zu einer penetranten Freizügigkeit, des Verlorengehens von Individualität und die Stilblüten des Trends lassen gar das Gegenteil vermuten, da der totale Kahlschlag in der Hose bereits seinen Tribut fordert. Durch den fehlenden Sichtschutz steigt der Wunsch nach „schöneren“, genormten Geschlechtsteilen an! Mit Schönheitsoperationen im Intimbereich wird nachgebessert /verschlimmbessert, was das Zeug hält – Straffungen, Schamlippenvergrößerungen und –verkleinerungen, Venushügelkorrekturen, Bleichen – das Brötchen-Schlitz-Ideal muss es sein!
„Speziell für den Bereich der Intimrasuren bei Frauen, lässt sich sagen, dass es die ’neue‘ Sichtbarkeit der äußeren weiblichen Genitalien ist, die dazu führt, dass sich auch hier Schönheitsnormen herausbilden: Erstmals entwickelt sich eine allgemeingültige – für weite Schichten der Bevölkerung – verbindliche Intimästhetik. Eine bis dato primär zur Privatsphäre zählende Körperregion – die Schamregion – unterliegt fortan einem Gestaltungsimperativ.“[3]
Die Intimrasur hat faktisch keine medizinischen und hygienischen Vorteile, das heißt nur ästhetische Erwägungen und individuelle Präferenzen sind ausschlaggebend. Doch geschieht das intrinsisch oder ist eine Beeinflussung von außen maßgeblich?
Das Motto, dass die Rasur nicht nur Männersache sei und sich nicht nur auf die Gesichtspartie beschränke, wird durch gesponserte Medien, die Werbe-, Mode- und Filmwelt verbreitet. Diesem Hype um die neue Normalität des Glattseins und die Unnatürlichkeit der natürlichen Behaarung kann man sich nur schwerlich entziehen.
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Haarentfernungstrend Milliarden in die Kassen der chemischen Industrie und ihrer Teilbereiche Kosmetik- und Beautyindustrie spült, da durch den neu erschlossenen Gesamtgeschlechter-Komplettkörperenthaarungs-Markt die Produktpalette explodiert ist: statt althergebrachter manueller oder elektrischer Rasierer, Rasierseife, Pinsel und Aftershave für Männer (welche von Frauen auf gleiche Weise hätten Benutzung finden können) gibt es nun Frauenrasierer in allen erdenklichen Formen und Farben, Lotion und Öl in unzähligen Varianten, Rasierschaum, Kalt- und Warmwachse, Enthaarungscremes und –gels, Trimmer, Epilierer, Peelings, Bleachings und vieles, vieles mehr.
Es herrscht ein enormer, oft unterschwelliger Druck, gerade auf pubertierende Kinder und Jugendliche.
Auch lernt die immer jünger werdende Zielgruppe oft überhaupt keine Schambehaarung mehr kennen, weder im Freundeskreis noch in der eigenen haarlosen Familie.
Feststellbar ist, dass vom Individuum vermutete Erwartungen der Umwelt Einfluss nehmen auf die Haarentfernung. Steht ein besonderer Anlass an, ein Damen- oder Herrenbesuch, ein Date, gruppensportliche Aktivitäten, ein Sauna-, Schwimmbad- oder Arztbesuch –wird untenrum alles picobello auf Hochglanz poliert, damit man „einen guten Eindruck“ hinterlässt. Vermutete Erwartungen werden mit der Zeit automatisch zur eigenen Überzeugung und die Intimrasur zum unhinterfragten Selbstverständnis.
Meine Conclusio
Ich bin in einer Zeit groß geworden, wo Körperbehaarung glücklicherweise (noch) kein großes Thema war. Alle Varianten und Moden ausprobiert habend, empfinde ich es als entspannend, keinen Druck zu verspüren, mich Moden und Dogmen anpassen zu müssen, um die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen.
Wenn es einem selbst gefällt – Glatze, Irokese, getrimmt, Herzchenmuster, lila Streifen oder Busch – dann ist das doch in Ordnung. Wenn es zu einer Haarphobie mutiert, einem Ekel, einer Übersteigerung ins Extreme oder man denkt, einem anderen müsse es gefallen oder es gehe auch nur irgendjemanden im Entferntesten etwas an, welche Frise man untenrum trägt, dann kann doch an dem Motiv – und am Standing zum eigenen Körper – etwas nicht stimmen?!
Was denkst du über die Schamhaarentfernung?
Zelebrierst du deine Intimrasur, ist sie dir wichtig als Teil deiner Körperpflegeroutine und erwartest du diese auch bei deinem Partner? Welche Methode bevorzugst du und welche Gründe sind für dich ausschlaggebend? Oder ist dir das Thema völlig egal, weil Schamhaare für dich einfach dazugehören?
Schreibe mir gerne deine Meinung in die Kommentare und/oder nimm an der Umfrage teil.
Ein Artikel von Anke
Umfrage zur Entfernung der Schamhaare
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[1] https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/koerperhaarentfernung-bei-immer-mehr-jungen-erwachsenen-im-trend-2008-11-18
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2364/umfrage/einschaetzung-der-erwartungshaltung-gegenueber-intimrasur/
[3] https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/koerperhaarentfernung-bei-immer-mehr-jungen-erwachsenen-im-trend-2008-11-18